Innovation und Tradition vereinen

Die Schreinerei Fust in Wil, Schweiz, hat genau das getan, wovon ich in meinen beiden letzten Blogposts berichtete: Sie hat ganz genau hingehört, was der Kunde will und darauf reagiert. Das Ergebnis ist ecoleo, ein neuer Geschäftszweig des KMU, bei dem Kunden ihre Möbel online planen, individuell designen und gleich bestellen können, um sie dann innerhalb von 5 Tagen in bewährter Schreinerqualität geliefert zu bekommen. Dass die Schreinerei Fust dabei in Zeiten der Digitalisierung richtig liegt, zeigen nicht nur die steigenden Verkaufszahlen, sondern auch ihr Erfolg bei der Schweizer Höhle der Löwen, wo das KMU ein beträchtliches Investment zugesagt bekam. 

Als Markus Fust vor rund 20 Jahren sein Unternehmen gründete, gab es ihn, seine Hobelbank und einen Kopf voller Ideen. So berichtet der Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens, der heute über 60 Mitarbeiter beschäftigt und der für seine Schreinerei ein Renommee als verlässlicher Arbeitgeber und als innovatives und vertrauenswürdiges Unternehmen aufbauen konnte. In meinem Interview sprach ich mit Markus Fust über den herausfordernden Spagat, sich permanent weiterzuentwickeln, ohne dabei das Bewährte zu verlieren und darüber, wie es zu ecoleo kam und welche Chancen er für KMU in der Zukunft sieht. 

Markus, ecoleo stößt überall auf positive Resonanz. Wie bist du dazu gekommen, dein Kerngeschäft so zu erweitern? 

Markus Fust: Ein Impuls war sicherlich die Aufhebung der Euro-Franken-Bindung, die uns plötzlich einem internationalen Preisdruck aussetzte. Wenn man bedenkt, dass Möbel heute günstiger sind als vor 20 Jahren, sich aber weder Rohstoffe noch Löhne gleichermaßen entwickelten, kann man sich vorstellen, wie wichtig das Thema Effizienz für ein KMU, wie wir es sind, ist. Effizienz steigern konnten wir, indem wir einen Teil unserer Produktion automatisierten. Um unsere Maschinen besser auszulasten, suchten wir nach Produkten, die standardisierbar waren. Gleichzeitig bemerkten wir, dass sich die Nachfrage veränderte. Vor allem junge Menschen suchten nach individualisierbaren Lösungen, die schnell verfügbar waren. So entwickelten wir ecoleo. Mit ecoleo konnten wir nicht nur eine bessere Auslastung unserer Produktionsmaschinen erreichen, wir bekamen zudem auch Zugang zu einer für uns neuen Zielgruppe: Online affine Menschen, die Qualitätsbewusstsein haben, ihre Möbel selbst gestalten und vor allem ihre Möbel schnell verfügbar haben möchten. Und natürlich haben wir nun neu die ganze Schweiz als Marktgebiet.

Mit ecoleo ist dir eine klassische Markterweiterung gelungen. Welche neuen Anforderungen stellen eure neuen Kunden an dein Unternehmen? 

Markus Fust: Ecoleo Kunden sind im Schnitt jünger als unsere traditionellen Kunden. Diese Zielgruppe ist sehr gut informiert und durchaus kritisch. Sie bringen zu einem großen Teil sowohl die Fähigkeiten als auch die Bereitschaft mit, Dinge selbst zu tun. Wir reagierten darauf, indem wir es unseren ecoleo Kunden freistellen, ob sie Unterstützung beim Ausmaß, der Planung oder dem Aufbau haben möchten. Darüber hinaus fordert diese Zielgruppe örtliche und zeitliche Unabhängigkeit: sie wollen zu Hause am Sofa bestellen, individuell designen und ihre Möbel rasch geliefert bekommen. Für unser Unternehmen bedeutete das, dass wir Kompetenz im IT-Bereich aufbauen mussten. Auch unsere Kommunikationskanäle erweiterten sich durch die neue Zielgruppe. Ecoleo Kunden erreichen wir nicht mehr primär über Print-Werbung oder unsere Ausstellung. Jetzt heißt es, über Social Media zu kommunizieren. Wir machen viel Werbung über Google und versenden dort nun persönlich-adressierte Werbung. Das stellt uns natürlich auch vor neue Herausforderungen. 

Das, was Kunden als die neue Online-Schreinerei ecoleo wahrnehmen, ist natürlich das Ergebnis jahrelanger Entwicklung – nicht nur eines neuen Produktes, sondern vor allem auch eines neuen Geschäftsmodells. Welche Dinge waren in dieser Entwicklungsphase besonders hilfreich?

Markus Fust: Zum einen brauchte es natürlich die innere Überzeugung der Verantwortlichen, dass man mit ecoleo richtig liegt. Diese Überzeugung teilten wir in der Geschäftsführung. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Vorbildwirkung der Führungskräfte insbesondere bei Veränderungsprojekten eine zentrale Rolle spielt. Insofern war das einstimmige Commitment der Geschäftsführung natürlich sehr förderlich, um weiterzugehen und Hürden zu überwinden. Sehr wichtig war es uns auch, trotz dieser inneren Überzeugung in kleinen Schritten voranzugehen. So war unsere erste Website sehr einfach – der 3D Konfigurator wurde beispielsweise erst in späteren Versionen integriert. 

Wir kreierten etwas, testeten es direkt am Kunden, waren sehr hellhörig für das Feedback der Kunden und überarbeiteten unsere Produkte und Services entsprechend. 

Markus Fust, Gründer und Geschäftsführer der Schreinerei Fust

Federführend dafür verantwortlich war Serge Eggler, der ecoleo auch heute noch vorantreibt. Er besaß nicht nur die entsprechenden Kompetenzen, sondern übernahm auch die Verantwortung. Eine Kombination, die wesentlich dazu beitrug, dass wir mit ecoleo heute da stehen, wo wir sind. 

Wie wurde die neue Sparte intern aufgenommen? Was habt ihr getan, um Veränderung im Unternehmen zu unterstützen?

Markus Fust: Ecoleo wurde erfreulicherweise von Beginn an von der ganzen Belegschaft mitgetragen –von den älteren Arbeitnehmern gleichermaßen wie von den jüngeren. Ich glaube wesentlich dafür war unsere Überzeugung, dass wir das Alte nie durch das Neue ersetzten wollten. Vielmehr wussten wir um die Notwendigkeit, Tradition und Neues stimmig zu vereinen. 

Ich bin davon überzeugt, dass es keine Zukunft ohne Herkunft gibt. Ebenso ist Innovation nur dort möglich, wo Tradition Stabilität und Erfahrungen sicherstellt. 

Markus Fust, Gründer und Geschäftsführer der Schreinerei Fust

Für uns ist es immer noch das traditionelle Schreinergeschäft, mit dem wir den Großteil unseres Umsatzes erwirtschaften. Unsere digitale Schreinerei ecoleo ist unsere Zukunftsstrategie, die sich nur entwickeln kann, weil wir auf dem Bewährten unseres Kerngeschäftes zurückgreifen können. Beispielsweise zeichnet sich der Mehrwert unserer Online-Möbel unter anderem dadurch aus, dass wir auch diese Möbel in Schreinerqualität anbieten können. Das wäre ohne unserem traditionellen Handwerk und der Infrastruktur, die uns die Schreinerei bietet, nicht möglich. Wir glauben an die Chancen der Digitalisierung, sind aber auch davon überzeugt, dass es traditionelle Komponenten, wie zum Beispiel unser handwerkliches Können oder unsere persönlichen Kundenbeziehungen braucht, um langfristig erfolgreich sein zu können. 

Was empfiehlst du als erfolgreicher Unternehmer anderen KMU? Wo führt die Zukunft hin? Müssen sich zwingend alle digitalisieren?

Markus Fust: Ich kann jedes Unternehmen ermutigen, die Digitalisierung als Chance zu sehen und sie nicht primär als Gefahr zu betrachten. Natürlich bringt sie ihre Herausforderungen mit sich. Auch wenn man sich entschließt, Veränderungen im Unternehmen wahrzunehmen, wird nicht immer alles wie geschmiert vor sich gehen. Mit Rückschlägen fertig zu werden und im besten Fall aus ihnen zu lernen, das sehe ich als zentrale Kompetenz eines Unternehmens in diesen dynamischen Zeiten. Auch wir hatten Hürden zu überwinden und Rückschläge wegzustecken. Hier dranzubleiben, als Vorbild voranzugehen und auch Mut und eine gewissen Risikobereitschaft zu haben, das sehe ich als meine unternehmerische Verantwortung. 

Die Geschichte von ecoleo ist auch wesentlicher Bestandteil meines neuen Buches, der KMU Innovator. Dort wird schrittweise aufgezeigt, wie man von der Wahrnehmung eines Veränderungsbedarfes über die Anpassung des Geschäftsmodells bis zur Markteinführung kommen kann. Es erscheint in Kürze!

Herzlichst, 

Ihr Urs Frey

Dr. Urs Frey

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